Stefan Gillich

Stefan Gillich

* 18.03.1991 in Dieburg
† 15.10.2011
Erstellt von Andrea Gillich
Angelegt am 20.11.2011

Über den Trauerfall (17)

Hier finden Sie ganz besondere Erinnerungen an Stefan Gillich, wie z.B. Bilder von schönen Momenten, die Trauerrede oder die Lebensgeschichte.

Danke

17.03.2024 um 19:21 Uhr von Andrea

Ich danke dir, dass du bei mir warst,

für all die Stunden und Tage. 

Es war dennoch zu kurz.

 

Danke dir,

denn durch dich habe ich das Leben anders gesehen.

Aber ich musst auch schmerzhaft sehen, wie es ohne dich ist.

Trotzdem - ohne dich wäre mein Leben "weniger" gewesen.

Dein Lachen, dein Ernst, unser Streiten - alles fehlt mir.

 

Ich danke dir, dass du bei mir warst.

Und ich hoffe, dass ich dir eines Tages DANKE sagen kann.

 

 

Aus Sein Lachen bleibt immer bei uns von Gordon Livingston

14.09.2014 um 21:22 Uhr von Andrea

.....

Ich bemühe mich weiterhin, Schritt für Schritt aus der Schlucht, die uns vor drei Jahren verschlang, hinauszuklettern. Ich bin auf der Suche – nicht nach dem Ende der steilen Wand, sondern nach einem Felsvorsprung, wo ich mich einen Augenblick lang ausruhen kann. Ich klammere mich an den steinigen Hang meines Lebens und fürchte ständig, in einem Akt sinnloser Selbstaufgabe wieder ins Bodenlose zu stürzen. Ich kann mir noch nicht vorstellen, einen Gipfel zu erreichen, sondern bemühe mich unter Schmerzen, langsam weiter emporzusteigen, während das Gewicht der Vergangenheit ständig auf meinen Schultern lastet. Wo sind die sonnigen Ebenen und die stillen Wälder, an die ich mich erinnern kann? Zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit dachte ich, die Steilhänge des Lebens lägen hinter mir, aber jetzt bin ich wieder hier, das Gesicht gegen den Stein gepresst.....

Der ungebetene Gast

03.08.2014 um 20:26 Uhr von Andrea

 

Die Trauer ist ein unerwarteter Gast. Eines schönen Tages klopft sie an Deine Tür und fragt nicht erst, ob sie hereinkommen darf, sondern sie setzt sich mitten in Dein Wohnzimmer und macht es sich bequem und gemütlich.


Am Anfang denkt man sich „nun gut, irgendwo muss sie ja sein“ und bleibt gastfreundlich. Dann kommt der Punkt, wo man sich denkt „nun könnte sie aber mal langsam wieder gehen“ und versucht, mit allerlei diplomatischen und weniger diplomatischen Mitteln, sie dazuzubringen, aufzustehen und sich zu verabschieden, weil man gern mal wieder für sich sein möchte. Aber nein, sie hockt da, stumm und unversöhnlich und bewegt sich kein bisschen vom Fleck. Du versuchst sie rauszuzerren, rauszuekeln - aber sie sitzt da einfach. Jeden Tag versuchst Du es wieder, doch wie ein Sack nasser Zement thront sie auf Deinem Sofa und schaut Dir die ganze Zeit über die Schulter. Du fühlst Dich beobachtet und unwohl – aber

 

Sie sitzt da einfach.
Und schweigt.
Und wartet.

Und Du weisst nicht mal worauf, geschweige denn wie lang. Und noch ein Tag und noch ein Versuch, sie zum gehen zu bewegen. Herrgott, in unserer modernen Welt muss es doch möglich sein, der Lage Herr zu werden! Aber nein, dieses Ding hockt da wie eine Spinne im Netz und wartet.

Ok, raus will sie nicht. In Deinem Wohnzimmer ist zu wenig Platz.
Also fängst Du an, Dich an sie zu gewöhnen. Stellst den Tisch ein bisschen weiter da und den Stuhl ein bisschen weiter dort - und nun sitzt sie zwar noch immer da, aber nicht mehr in der Mitte.

AHA! - denkst Du Dir! Ich kann sie nicht zum Gehen bewegen - aber ich kann mich um sie herum bewegen. Ein bisschen Möbel umstellen, ein bisschen Perspektive wechseln und schon sieht sie nicht mehr so bedrohlich aus. Tatsächlich kannst Du sogar um sie herumgehen und sie von hinten anschauen – unspektakulär!


Weitere Tage vergehen und sie setzt schon langsam ein bisschen Staub an, bis sie sich plötzlich wieder mal schüttelt, eine Trauer-Staubwolke aufsteigt und Dich einhüllt. „Hust“ Du stellst den Tisch noch ein bisschen mehr dort und den Stuhl noch ein bisschen mehr da, und auf einmal ist sie nur noch der Rand Deines Wohnzimmers und nicht mehr das Zentrum.

 

Aber sie sitzt noch immer da. Manchmal wirft sie Dir einen vorwurfsvollen Blick zu und Du fühlst dich versucht, sie wieder in die Mitte auszurichten. Manchmal schüttelt sie sich und hüllt Dich in eine Staubwolke.

 

Aber irgendwann ist sie so eins geworden mit Deinem Wohnzimmer, dass Du sie nicht mal mehr siehst, ausser wenn sie sich grad schüttelt. Und das wird sie immer wieder tun. Doch so hast Du aus der Not eine Tugend gemacht und dank dem ungebetenen Gast, der nicht mehr gehen wollte, eine ganz neue Perspektive in Dein Leben gebracht.


Und würde man nun die Trauer aus Deinem Wohnzimmer entfernen - so würde ein hässlicher, kahler Fleck bleiben.

 

Trost in der Trostlosigkeit - aus Plötzlich tot von Familie Rüggeberg

04.04.2014 um 19:43 Uhr von Andrea

Wer hält mich, traut sich an mein Innerstes heran, wer kann mich aufrichten, hält meine Tränen aus, wer mag meine Verzweiflung sehen, wer versteht etwas von einem solchen Abgrund? Wer kennt sich überhaupt mit Abgründen aus, die Angst und Schrecken verbreiten? Ich bin mitten im Leben und zugleich aus diesem Leben herausgefallen, ich nehme teil an diesem Leben und fühle mich zugleich in ihm fremd.

 

Der Verlust meines Kindes ist wie eine klaffende Wunde, die sich nicht schließen mag. Mit keinem der herkömmlichen Mittel ist ihr beizukommen, einmal scheint sie allmählich zu verkrusten, dann wieder reisst sie immer tiefer auf. Ein anderes Mal scheint es mir gelungen, mich an den Schmerz zu gewöhnen, doch dann bricht er wieder auf, als sei die Wunde frisch geschlagen worden.

 

..... Der Tod hatte die Selbstverständlichkeit und die Selbstsicherheit, mit der ich mich im Leben bewegte, vollkommen VER-RÜCKT. Eines Tages, als mich die Verzweiflung wieder einmal heftig erfasst hatte, fürchtete ich, der Weg sei nicht mehr weit, selbst verrückt zu werden. Wie war es anderen Eltern gelungen, ihr Leben nach solch einer Erschütterung wieder geradezurücken, wie hatten sie Perspektiven entwickelt, wie wieder Lebensfreude gespürt?

 

..... In den weiteren Wochen und Monaten erkundigten sich Bekannte, Arbeitskollegen, Freunde oder auch Angehörige immer seltener nach meinem Befinden. Ihre Unterstützung in den Tagen der Todesnachricht und der Beerdigung war wohltuend und tragend gewesen und hatte erheblich dazu beigetragen, dass ich diese Zeit überstanden hatte. Doch war für sie das Leben weitergegangen. Und sie dachten wohl, bei mir müsse es auch so sein. Nur wenige fragten weiter nach, eröffneten mir so weiter einen Raum, mich ihnen mit meiner Ohnmacht und Traurigkeit ungeschützt zu zeigen. Es war immer ein großes Geschenk, wenn sich so ein Raum öffnete......

 

 

Trauernde werden immer wieder von ihrer Trauer „überfallen“ und fühlen sich wehrlos.

Trauernde benötigen keine Ratschläge.

Trauernde erleben ihr persönliche Welt als zerstört und wertlos.

Tröster schenken insbesondere Nähe statt Worte.

Tröster halten die Trauernden mit all ihren unterschiedlichen Gefühlen aus.

Tröster stellen viel Zeit zur Verfügung.

 

Immer dort, wo Kinder sterben......

04.02.2014 um 18:09 Uhr von Andrea

 

Immer dort, wo Kinder sterben, 

werden Stein und Stern 

und so viele Träume heimatlos (Nelly Sachs)

 

Immer dort  und hier, wo Kinder sterben, gehlt alles Gebaute und Gewünschte kaputt. Heimat geht verloren, Lücken, Fragen, Tiefen und Abgründe entstehen. Lebensplanung wird zum Fragment.

 

Lebensplanung, die schön begann: Wunschkind, Geburt, erster Schrei, erstes Saugen an der Brust, Jauchzen, Freude. Es schien alles so gut zu gehen. Alle wirkten zu glücklich. Man schien das Leben im Griff zu haben, es planen zu können und darin Heimat zu fnden.

 

Das Kind ist gestorben. Alles wurde Makulatur. Erinnerungen wurden in Frage gestellt. Realität als zerbrechlicher Wunschtraum empfunden. Die eigenen Füße bluten in einem Scherbenhaufen.

 

Unglück traf – diesmal nicht einen anderen, sondern einen selbst. Der Felsen ist auf einen selbst gefallen, hat einen selbst getroffen – nicht die anderen, die täglich in den Nachrichtensendungen sterben. Der eigene Zug ist entgleist – nicht der im Fernsehen.

 

Fragen gehen durch einen hindurch. Warum ich? Warum meine Familie? Warum trifft es mich? Warum wurde dieses Kind, das so schnell gestorben ist, in meiner Familie geboren, warum ist es in meinem Bauch gewachsen und warum lag es in unserer Familie in der Wiege?

 

(Text von Gisela Forster )

 

 

 

Warum, warum, warum....................................

 

 

 

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